Ursachen und Diagnose des Multiplen Myeloms
Was ist das Multiple Myelom?
Das Multiple Myelom (MM) ist eine Krebsart, die durch veränderte Plasmazellen hervorgerufen wird. Plasmazellen sind eine Art von weißen Blutkörperchen, die als Reaktion auf körperfremde Substanzen (Antigene) Antikörper sezernieren (auch bekannt als Immunglobuline). Die Erkrankung des MM ist durch eine unkontrollierte Proliferation von Plasmazellen im Knochenmark und eine entsprechende Überproduktion eines monoklonalen Proteins (M-Protein) gekennzeichnet. Das M-Protein kann entweder ein intaktes Immunglobulin und / oder eine Freie Leichtkette (FLC) sein. Diese M-Proteine können zur Diagnose und zur Therapiekontrolle herangezogen werden. Das Myelom wird als "multiple" bezeichnet, da häufig zahlreiche Stellen im Knochenmark befallen sein können, darunter Wirbelsäule, Schädel, Becken, Brustkorb sowie weitere Knochen im Schulter- und Hüftbereich.
Ursachen und Risikofaktoren
MM ist eine häufige hämatologische Malignität mit einer weltweiten jährlichen Inzidenz von etwa 160.000 Fällen.1 In der Regel tritt das MM bei Menschen über 60 Jahren auf und hat ein mittleres Diagnosealter von 72 Jahren. Wie bei vielen Krebsarten sind die genauen Ursachen vom MM weitgehend unbekannt, jedoch können präkanzeröse Erkrankungen - einschließlich Monoklonaler Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) und Schwelendes Multiples Myelom (SMM) - zu einer malignen Form fortschreiten und erfordern somit eine ständige Überwachung, um rechtzeitig eine Progression zu erkennen und eine Intervention gewährleisten zu können.
Diagnose
Die Diagnose des MM ist oft schwierig, da die ersten Symptome in der Regel unspezifisch sind. Fatigue ist ein häufiges frühes Anzeichen, welches Patienten oft mit ihrem Alter in Verbindung bringen und daher den Arztbesuch und dadurch letztendlich ihre Diagnose verzögern. Erst wenn stärkere Symptome auftreten - wie zum Beispiel Knochenschmerzen, Nierenfunktionsstörungen und wiederkehrende Infektionen - suchen sie ärztlichen Rat auf. Selbst dann kann eine sichere Diagnose immer noch schwierig sein, da oft zunächst häufigere Ursachen der Symptome ausgeschlossen werden, bevor ein MM diagnostiziert wird. Aus diesem Grund ist es von entscheidender Bedeutung, das Bewusstsein für das MM zu schärfen, nicht nur, um Patienten zu ermutigen, medizinischen Rat einzuholen, wenn die zuvor genannten Symptome auftreten, sondern auch, um eine frühzeitige Diagnose dieser Erkrankung durch die Ärzte zu ermöglichen.
Die frühe Diagnose und eine frühe Behandlung ist für Patienten von entscheidender Bedeutung, vor allem wegen der Schäden, die der Krebs an den Organen - am häufigsten sind die Nieren betroffen- verursachen kann.
Klinische Manifestationen
Die meisten Fälle des MM werden erst dann diagnostiziert, wenn der Krebs "aktiv" geworden ist oder droht, "aktiv" zu werden und nicht bereits im Vorstadium des Krebs (MGUS). Dies ist dann der Fall, wenn der Anteil der Plasmazellen im Knochenmark größer als 10 % ist – wobei der Referenzwert zwischen zwei und drei Prozent liegt – und wenn mindestens ein CRAB- oder SliM-Kriterium nachgewiesen werden kann.
CRAB steht für:
• Hyperkalzämie – erhöhtes Kalzium im Blut
• Niereninsuffizienz – eingeschränkte Nierenfunktion
• Anämie – Mangel an roten Blutkörperchen
• Knochenläsionen (bone lesions) – osteolytische oder diffuse Knochendestruktion
SliM steht für:
• > 60 % Plasmazellen im Knochenmark
• das Verhältnis der involvierten zur nicht involvierten freien Leichtkette (FLC) ist höher als 100 (und die vom Tumor produzierte FLC ist >100 mg / L). Die involvierte FLC ist die FLC, welche von der entarteten Plasmazelle produziert wird, nicht involvierte FLC bezeichnet die FLC welche nicht für das Tumorgeschehen verantwortlich ist.
• mehr als eine Knochenläsion bei einer MRT-Untersuchung des Skeletts sichtbar
Eine Vielzahl von Tests - einschließlich einer Knochenmarksbiopsie sowie Blut- und Skelettanalysen - werden durchgeführt, um zu untersuchen, ob CRAB- oder SliM- Kriterien vorliegen. Dabei wird auch das zugrundeliegende M-Protein klassifiziert und quantifiziert. Dafür empfiehlt die internationale Myelom-Arbeitsgruppe (IMWG) die Kombination aus einer Serumelektrophorese (SPE), Immunfixationselektrophorese (IFE) und Bestimmung der Freien Leichtketten im Serum (FLC). Dabei wird neben den einzelnen Leichtketten (κ und λ) auch das FLC-Verhältnis betrachtet. Zusätzlich wird auch nach spezifischen genetischen Anomalien gesucht.
Diese diagnostischen Verfahren ermöglichen den Ärzten eine detaillierte Beurteilung des MM-Status und erlauben dadurch eine optimale Behandlungsstrategie und Prognoseabschätzung des Patienten.
Studien haben zudem gezeigt, dass eine Diagnose der prämalignen Erkrankungen (MGUS, SMM) zu weniger Komplikationen und einem besseren Gesamtüberleben bei MM-Patienten führt, da durch eine engmaschige Verlaufskontrolle eine Progression früher erkannt werden kann.
Behandlung und Verlaufskontrolle
Es gibt enorme Fortschritte bei der Behandlung von MM - aufgrund der Verfügbarkeit neuer Medikamente und Behandlungsschemata -, die den Therapieerfolg beim Patienten erheblich verbessert haben und ein Überleben von mehr als 10 Jahren bei jüngeren Patienten ermöglichen, die für Stammzelltransplantationen in Frage kommen. Der Krebs bleibt jedoch unheilbar; da einige Myelomzellen jeden Therapiezyklus überleben - sogenannte arzneimittelresistente Klone -, die sich schließlich wieder vermehren können, was zu einem Rückfall oder Wiederauftreten der Krankheit führen kann. Aus diesem Grund werden die Patienten nach der Behandlung kontinuierlich überwacht, um festzustellen, wie gut das Therapieansprechen ist und um ein Rezidiv schnell zu erkennen, so dass eine neue Behandlung so schnell wie möglich beginnen kann.
Die Messung von M-Proteinen im Serum und Urin bleibt der Goldstandard, um den Behandlungserfolg zu ermitteln. Neu diagnostizierte MM-Patienten zeigen erhöhte Konzentrationen von monoklonalen Proteinen, und da eine wirksame Behandlung M-Protein-produzierende maligne Plasmazellen eliminiert, kommt es zu einer Abnahme des M-Proteins im Serum und Urin des Patienten. Diese Veränderungen können durch Serumproteinelektrophorese (SPE), Urinelektrophorese (UPE), Immunfixationselektrophorese (IFE) oder Bestimmung der Freien Leichtketten im Serum (FLC) identifiziert und/oder quantifiziert werden. SPE und IFE sind für viele Patienten mit MM geeignete Nachweismethoden, aber entscheidend ist, dass sie bei einigen Formen des Krebses, wie dem Leichtketten Multiplen Myelom, sowie oligosekretorischen und nicht-sekretorischen Myelomen, bei denen die Patienten niedrige bzw. nicht nachweisbare M-Proteinspiegel aufweisen, weniger genau sind. Assays zur Bestimmung von FLCs haben dazu beigetragen einige Limitationen der herkömmlichen Nachweismethoden (SPE, UPE, IFE) zu überwinden und eine genaue Diagnose und Verlaufskontrolle aller Arten von MM und verwandten Krankheiten zu ermöglichen.
Was genau sind FLCs? Und was ist der Freelite® Assay?
Plasmazellen im Knochenmark produzieren leichte Ketten – unterteilt in κ und λ –, die zusammen mit schweren Ketten Immunglobuline bilden. Die leichten Ketten liegen dabei im Überschuss vor und ein Teil bindet nicht an die schweren Ketten, diese werden dann als Freie Leichtketten sezerniert. Bei einem gesunden Menschen sind die κ und λ FLC im Serum ein Produkt aller Plasmazellen und werden daher als polyklonale FLC bezeichnet. Bei Patienten mit MM vermehrt sich ein spezifischer Plasmazellklon, und es kommt zu einer Überproduktion von monoklonalen Freien Leichtketten eines bestimmten Typs (entweder κ oder λ). Dies verzerrt das Verhältnis zwischen κ und λ FLCs im Blut.
Daher sind diese Proteine ausgezeichnete Biomarker für das Management des MM und verwandte Krankheiten, und können mit Hilfe des hochempfindlichen und spezifischen Freelite-Assay® bestimmt werden. FLCs haben eine viel kürzere Halbwertszeit – zwei bis sechs Stunden – im Vergleich zu intakten Immunglobulinen, was sie zu einem idealen Marker für die Verlaufskontrolle von schnellen krankheitsbedingten Veränderungen macht. Die Messung von FLCs im Serum bietet viele Vorteile gegenüber der Messung im Urin, so ist beispielsweise die Probennahme für den Patienten unkomplizierter. Zudem spiegelt die Messung der FLC im Serum den Krankheitsstatus des Patienten besser wieder
FLCs - und MM-Richtlinien
Die Richtlinien der internationalen Myelom-Arbeitsgruppe (IMWG) für die Diagnose des MM empfehlen FLC-Assays, zusammen mit SPE und IFE, zur Diagnose und als "Biomarker der Malignität". Die Richtlinien für die Verlaufskontrolle von MM (Kumar 2016) empfehlen auch, dass FLCs zur Evaluierung des Therapieansprechens bei Patienten genutzt werden, bei denen die Spiegel anderer Marker unterhalb der zuverlässig quantifizierbaren Konzentrationen liegen, z. B. wenn das Serum-M-Protein 10 g/L oder weniger beträgt und das M-Protein im 24-Stunden Urin ≤ 200 mg beträgt.
Das Ansprechen kann partiell sein – angezeigt durch eine ≥ 50%ige Reduktion der Differenz zwischen den FLC-Werten (dFLC) der involvierten und nicht involvierten FLC – oder sehr gut partiell (VGPR) mit einer Reduktion der FLC um 90 Prozent oder mehr. Schließlich wird empfohlen, FLC zu bestimmen, um ein stringentes vollständiges Ansprechen zu bestimmen. Dieses beinhaltet die Normalisierung des FLC-Verhältnisses und das Fehlen von Krankheits-Nachweisen aus einer Knochenmarksbiopsie und einer Serum- bzw Urin-IFE. Alle in den Leitlinien dargestellten Schwellenwerte und medizinischen Entscheidungspunkte für FLC-Werte wurden mit Freelite® erstellt.
Die nächsten Schritte der MM-Behandlung und Verlaufskontrolle
Neuartige Therapien haben beispiellose Verbesserungen beim progressionsfreien Überleben und Gesamtüberleben bei MM-Patienten erzielt. Weitere Forschungen sollen die Behandlungsstrategien verbessern und versuchen, empfindlichere und spezifischere Ansätze für die Diagnose und die Verlaufskontrolle bereitzustellen. Bei einer Therapie können vereinzelte Tumorzellen überleben, welche dann zu einem Rückfall führen können. Aus diesem Grund ist die Messung der minimalen Resterkrankung (MRD) von großer Bedeutung, da sie den Grad des Behandlungserfolges aufzeigt. Neue Methoden zur Verbesserung der MRD-Bewertung werden kontinuierlich entwickelt, z.B. die Massenspektrometrie, die selbst sehr niedrige Konzentrationen von monoklonalen Serumproteinen genau nachweisen und messen kann, was sie zu einem spannenden Forschungsgebiet macht.
Leben mit MM
Eine MM-Diagnose kann verheerend sein; die Lebenserwartung der Patienten ist jedoch aufgrund der verbesserten Behandlung und Versorgung heute deutlich höher. In Deutschland und auf der ganzen Welt gibt es verschiedene Selbsthilfegruppen für Menschen, die sich in ähnlichen Situationen befinden. Die International Myeloma Foundation (International Myeloma Foundation | IMF |Multiple Myeloma Information) ist eine anerkannte internationale Informationsquelle. Zusammen mit nationalen Organisationen können diese zusätzliche Unterstützung und Informationen bereitstellen, um Patienten und Angehörige bei der Bewältigung der MM-Diagnose und dem kontinuierlichen Weg durch die Behandlungen zu unterstützen.
Beispiele nationaler Organisationen für die DACH Region sind im Folgenden aufgeführt:
Kompetenznetz Maligne Lymphome e.V. Deutschland (lymphome.de - Kompetenznetz Maligne Lymphome e.V.)
Deutsche Leukämie- und Lymphomhilfe (Multiples Myelom (MM): Deutsche Leukämie- und Lymphom-Hilfe (leukaemie-hilfe.de))
Myelom und Lymphomhilfe Österreich (Multiples Myelom- und Lymphomhilfe Österreich | Selbsthilfegruppe (myelom-lymphom.at))
Multiples Myelom – Selbsthilfe Österreich (Multiples Myelom - Selbsthilfegruppe)
Lymphoma.ch – Patientennetz Schweiz (lymphome.ch - patientennetz schweiz)
Myelom Patienten Schweiz (Myelom Patienten Schweiz (MPS) | MPS (multiples-myelom.ch))
Krebsliga (Multiples Myelom (Plasmazellmyelom) (krebsliga.ch))
Referenzen
1. Ludwig H, Novis Durie S, et al. Multiple Myeloma Incidence and Mortality Around the Globe; Interrelations Between Health Access and Quality, Economic Resources, and Patient Empowerment. Oncologist. 2020;25(9):e1406-e1413. doi:10.1634/theoncologist.2020-0141